Raubtierkapitalismus











Raubtierkapitalismus, österreichische Version

Russischer Oligarch kauft sich bei Strabag ein! Russischer Oligarch übernimmt Macht bei Magna! Damit fing alles an. Zwei österreichische Vorzeigeunternehmen fielen sechzig Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges doch noch in die Hand der Russen (zugegeben, seinerzeit gab es sie noch nicht). Was den sowjetischen Generälen nicht gelungen ist, schaffen jetzt die so genannte Oligarchen: Die Eroberung des Westens. Wer früher mit Atomwaffen gebannt werden sollte, wird heute mit offenen Armen empfangen. Das Geschäft in der russischen Föderation winkt. Woanders nennt man solche Menschen Paten oder verhängt ein Einreiseverbot in die (nach Eigenangaben) größten Demokratie der Welt. ‚Sicher kein Ministrant’ ist der Mann für den österreichischen Handelsdeligierten in Russland. Das sind also die ethischen Werte unserer Wirtschaftselite. Und jetzt war Putin auch noch da: Die österreichische Wirtschaft jubelt über Milliardenaufträge. Einen Aufschrei der Empörung würde man erwarten. Stattdessen druckt unsere Presse die PR-Jubelmeldungen und hanebüchernen Erklärungen der Unternehmen mehr oder minder unkritisch ab. Irgendwer muss doch klare Worte darüber schreiben! Erregte ich mich. Erinnerte mich ein Freund: Mach das mal. In deinem Blog, gehostet von dem Unternehmen, das zum Beispiel die Menschenrechtsverletzungen des chinesischen Regimes akzeptiert, um den dortigen Markt zu erobern. Was soll man machen (schreiben)? Sind andere Hosts besser? Bleibt nur das Schweigen? Leben in der Globalisierung...

Das Spargelorakel

Ich mache mir keine Sorgen um das Klima. Das eigentliche Problem sind die Polen. Die alten Griechen hatten Delphi. Ich habe den Spargel. Den norddeutschen, um präzise zu sein. Beispiel: Dotcomboom Ende der neunziger Jahre. Die Wirtschaft brummt. Keine Rede von Arbeitslosigkeit. Und dann kommt der Spargel. Arbeitslose ab zum Spargelstechen, fordern ein paar Beamte und Politiker. Andernfalls Leistungskürzung. Die Spargelbauern schlagen die Hände über den Köpfen zusammen. Bloß nicht! Die Leute kommen eh nicht. Und das ist noch das Beste an ihnen. Weil sie nicht Spargel stechen können. Schneiden alles kurz und klein, ist nur mehr als Bruch zu verkaufen, das Zeug. Den ganzen Tag gebückt über ein Feld gehen, können die Polen besser. Und billiger. Warum sie dann das Problem sind? Kommt gleich. Zuerst noch die eigentliche Frage: Wie kommt man bei brummender Wirtschaft auf die Idee, Arbeitslose zum Spargelstechen zu schicken? Ein Jahr später platzt die Dotcomblase. Die Baisse beginnt. Auf einmal sind Arbeitslose das deutsche Megathema. Der Spargel wusste es schon. So wie 2006. Man erinnert sich mit Grausen. Der Spargel blieb fast aus. Die Ernte war miserabel. Alle Welt klagte. So kalt, das Wetter spielt verrückt, was ist da los? Seit 2007 ist es amtlich. „Die Erde schmilzt“, titelte Der Spiegel gerade launig. Gigathema des Jahres ist das Klima. Der Spargel wusste es im voraus. Wir dagegen wissen nicht, woher der norddeutsche Spargel weiß. Übrigens nur dieser. Vom österreichischen Spargel etwa ist nur bekannt, dass es ihn auch lila gibt. Vielleicht müsste man da ein anderes Gemüse um die Zukunft befragen. Seltsam, dass die Werbung das Phänomen noch nicht entdeckt hat. Spargel mit emotionalem Zusatznutzen: „Der Spargel mit Zukunft“, oder so, da fiele einem schon was ein. Aber, wie gesagt, um das Klima mache ich mir keine Sorgen. Der norddeutsche Spargel hat nämlich schon ganz andere: Ihm gehen die Polen aus. Die sind weiter gezogen, nach Frankreich und Großbritannien. Verdienen dort besser. Und wer erntet jetzt den Spargel in Schleswig Holstein und Niedersachsen? Die Arbeitslosen etwa? Soviel kann man heute, Frühjahr 2007, sagen: Terathema 2008 wird die neue Völkerwanderung. Dann haben wir auch wirklich genug gehört vom Klima. Mahlzeit!

Mein Wille geschieht

Aus einem einfachen Grund: Ich sitze an einem besonderen Platz: an der dicksten Stelle der Bevölkerungspyramide. Die gar keine Pyramide ist. Eher ein Schwammerl. Ein Atompilz, sagen manche. Ich bin in der Überzahl. Was ich will, wird Gesetz. Oder Produkt. Was ich nicht will, floppt. Gnadenlos. Über mir wird es schon dünner. Unter mir erst recht. Keine anderer Jahrgang ist so groß. Wenn ich noch ein paar Jahre auf- und abwärts zähle, bin ich eine Macht: die Jungvierziger, Plus Minus wenige Jahre (Stand 2007). Der Bauch der Gesellschaft. Der produktivste Teil der Wirtschaft. Der ausgabefreudigste. Wer meine Stimme hat, gewinnt. Wer meine Geldbörse öffnet, verdient. Da können die Lenker und Denker in den älteren Semestern wollen, was sie wollen. Und die jungen Grünschnäbel sollen revoltieren, was das Zeug hält. Gegen mich kommen sie nicht an. Gekauft, gewählt, gesendet, gelesen wird, was ich will. Meine Masse macht’s. Wenn sie Erfolg wünschen, müssen sie sich danach richten. Also hören Sie gut zu.

Auf die Schuhe geschaut

Schau den Menschen auf die Schuhe, und du weißt, wie sie sind. Hat meine Großmutter immer gesagt (hat sie wirklich!). Ich persönliche halte ja nichts davon. Tue es aber trotzdem. Geht Ihnen das nicht genauso? Frühkindliche Prägung, kann man nichts tun. Ich schaue also auf Schuhe. Und was sehe ich letztens? Diesen jungen Mann. Etwa mein Alter. Etwa mein Typ. Gutaussehend, dynamisch. Kauft frühabends beim selben feinen Italiener Antipasti wie ich. Quert die Straße in unserem hippen Stadtviertel, rüber zu diesem speziellen Gemüse- und Obstladen, in dem zwar alles dreimal so teuer ist, dafür aber auch mindestens doppelt so gut. Vielleicht wäre mir das alles nicht so aufgefallen. Viele Menschen kaufen in diesen Läden. Ich zum Beispiel. Wären da nicht seine Schuhe gewesen. Weiß. Weißes Leder mit einem breiten braunen Sattel über dem Rist. Getragen zu Jeans. Natürlich schau ich ihm beim Gehen sofort unter die Sohlen (versuchen Sie das mal - unauffällig!). Tatsächlich. Softspikes. Single, denke ich. Oder Dink (gibt’s die noch?). Es sei denn ... ist Ihnen schon aufgefallen, daß der kleine weiße Ball längst überall ist? In der Werbung zum Beispiel. „Volltreffer“ lautet die Anzeigenzeile. Das originelle Bild dazu wäre früher ein Fußball im Netz gewesen. Der kleine Text darunter hätte uns wahlweise über die Vorzüge einer neuen Vermögensanlage oder einer Hämorrhoidensalbe aufgeklärt. Der Text ist derselbe. Nur der Ball ist kleiner. Und kuschelt sich jetzt in einem Loch im Gras. Hole. Das Schaufenster im Sportgeschäft ist voll mit Bags, Drivern und karierten Hosen. Einrichtungshäuser sponsern keine Tenninsturniere mehr. Golf ist in. War also nur eine Frage der Zeit. Dass einer in Golfschuhen durch die Stadt spaziert. Mit Softspikes. Hätte er genau so gut abmontieren können. Geht sich besser am Asphalt. Aber die Menschen fahren ja auch Geländewagen in der Stadt. Nächstes Jahr gibt es bei Humanic dann auch die Golflike-Kollektion. Und übernächstes Jahr bei Kik. So kam schon der Tennisschuh auf die Straße. Na denn. Meine sind auch weiß. Mit braunem Sattel. Ein beliebter Stil, gerade bei Anfängern. So eindeutig. Der Typ hat recht. Morgen verkaufe ich Bag, Schläger, Trolley und kündige den Club. Nur die Schuhe behalte ich.

Positiv

Bis zu jenem Morgen war ich skeptisch. Positiv denken? Wer nicht negativ denken kann, kann auch nicht positiv. Dachte ich. Negativ. Positiv. Ein Kind der digitalen Welt, was soll ich sagen? 010101. Aber wenn was schlecht ist, muss man es auch schlecht nennen dürfen (und wenn es nicht schlecht ist, muss man es schlecht machen dürfen. Wofür leben wir denn in diesem Land? Anm.: Österreich, ja jetzt ist es raus). Pessimisten sind Optimisten, die mehr wissen, hat irgendwer einmal gesagt. Was wissen wir heute noch? Wir glauben. Ich glaube, die so genannten Pessimisten sind die wahren Optimisten. Sie befürchten das Schlimmste - daher kann es für sie nur besser kommen. Vice versa mit den Optimisten. Arme Schweine. Kommt immer schlechter, als sie denken. Nicht beneidenswert. Außerdem finden Optimisten immer eine Lösung. Dabei weiß heute ohnehin jeder eine Lösung zu jedem Problem. Das Problem sind zu viele Lösungen. Und dann muss man streiten, welche die richtige ist. Voilà, der Pessimist: er findet zu jeder Lösung ein Problem. Ich habe auch schon in diesen Büchern geblättert. Man wird ja förmlich gezwungen. Immerhin bemängelte man schon mal meinen kritischen Geist (so nenne ich das). Außerdem soll positives Denken ja dienlich sein. Der Karriere, dem Sex, der Verdauung. Mal ehrlich, so ein Buch liegt doch bei jedem von uns herum. Nicht nur bei Frauen. Die Philosophie dieser Ratgeber ist simpel: Alles hat seine gute Seite. Man muss sie nur sehen. Gefeuert? Wunderbar, wie oft bekommen Sie schon die Chance zu einem Neuanfang? Von der Partnerin verlassen? Endlich frei! Und mir fielen noch schlimmere Beispiele ein. Pardon, bessere, in der positiven Denke. Aber man braucht gar nicht so dramatisch werden. Positives Denken beginnt bei den kleinen Dingen, auch das lehren uns die Ratgeber. Bei den - nochmals pardon - Widrigkeiten des alltäglichen Lebens. Sind ja viel häufiger als die großen Dramen. An jenem Morgen also begriff ich. Positives Denken. Ich höre sie noch immer. Die Kolleginnenstimme, aus der Toilette. Etwas verschlafen, aber gut aufgelegt. Geradezu fröhlich. Dabei könnte man sich über einen Pickel ärgern, der einen am frühen Morgen aus dem verschlafenen Gesicht anstarrt. Aber nein. Nicht, wenn man positiv ist (und der Pickel an der richtigen Stelle sitzt). Dann konstatiert man freudig: „Ich habe ein Cindy Crawford Pickel!“ (Dass sich überhaupt noch jemand an die erinnert!)